Finnland
Langer Post, viele Bilder! TL, DR: Lappland mit Wildniskirche, Bikepark. Wandern im Rentierpark, kleine Bärenrunde, Bunker der Salpa-Linie, Helsinki, Kiten und die coolste Sauna! Genauso hatte ich mir die finnische Landschaft vorgestellt: Birkenwälder, die bereits in herbstliche Farben gekleidet waren, spiegelten sich in den großen Seen. Braune Binsen ragten aus weitläufigen Moorfeldern und bis zur nächsten Navigationsangabe vergingen erst einmal 200 Kilometer. Es gibt wenig Autos auf den Straßen, denn Lappland ist sehr dünn besiedelt. Wir steuerten einen Parkplatz an, von dem aus wir eine kleine Wanderung am nächsten Tag machen wollten. Nachts war der Himmel klar und ich sah sogar Polarlichter, wenn auch recht schwach. Der Boden glitzerte, denn er war bereits gefroren. Um uns herum: Stille.
Die Wanderung war sehr hübsch und hatte als Ziel eine kleine Kirche in der Wildnis. Sie war nach ihrer Erbauung 1760 nicht häufig genutzt worden, denn die Samen, das Urvolk des skandinavischen Nordens, zogen mit den Ren durch Lappland. Erst für den langen Winter kamen sie an Orten zusammen, wie der an dem die Kirche erbaut wurde. Dadurch war auch nur selten ein Pfarrer in der Kirche. Später hatte sich eine Siedlung am Inarijärvi-See gegründet, deren Lage dort deutlich praktischer war. Etwa 100 Jahre wurde die Stätte weiter renoviert, dann verfiel sie nach und nach. Die Kirche wurde neuer Zufluchtsort 1940, als die Kirche in Inari während des zweiten Weltkriegs zerbombt wurde. Heute werden dort die Oster- und Mittsommergottesdienste, sowie Hochzeiten gefeiert.
Die hölzerne Kirche lugt mit ihrer roten Fassade zwischen hohen Gräsern und einigen Felsen zwischen Birken hervor. Der Innenraum ist ebenfalls aus Holz gezimmert. Die weiß gestrichenen Wände werden von der blauen Farbe der Kanzel und den hölzernen Bänken kontrastiert. Ganz ohne Prunk hat diese schlichte Kirche einen sehr natürlichen Charme. Wie sehr häufig in Lappland, war unweit der Kirche eine Grillstelle mit Feuerholz, Bänken und einer Komposttoilette.
Wir hatten herausgefunden, dass es nahe Sirkka nochmal einen kleinen Bikeparkt gibt. Wir nahmen uns zwei Tage und nutzten die Liftkarten so richtig aus. Nachdem wir die meisten Strecken am ersten Tag ausgekundschaftet hatten, hatten wir unseren Lieblingstrail gefunden. Den gings dann am zweiten Tag über 10 Mal runter. Zu unserer Freude kostete der Parkplatz direkt am Lift nichts, so konnten wir gemütlich eine Mittagspause machen. Der Bikepark nicht vergleichbar mit Åre, aber es hat trotzdem Spaß gemacht. Unser Platz für die Nacht war auch sehr besonders. An einem Fluss gelegen, gab es wieder eine Grillstelle und Komposttoilette mit einem großen Haufen Feuerholz davor. Am ersten Abend konnten wir aus der noch warmen Glut einfach wieder ein Feuer entfachen und genossen dessen Wärme.
Auf dem Parkplatz des Levi-Bikeparks hatten wir, eigentlich eher durch Zufall unsere Reifen begutachtet. Unsere vorderen Reifen waren innen viel mehr abgefahren als außen. Unsere schönen, neuen Reifen! Also erst mal geschaut, wo die nächste Werkstatt ist. In der nächsten größeren Stadt, neben dem Wohnort des Weihnachtsmanns, gab es richtig viele Werkstätten, auch welche mit hohen Einfahrten und entsprechenden Hebebühnen. Doch wir wurden von A nach B nach C geschickt, denn kein Betrieb konnte uns innerhalb des nächsten Tages einen Termin geben. Eher so fünf Tage Wartezeit! Am Schluss fanden wir den Euromaster, der es uns sofort richten konnte. Dankend fuhren wir vom Hof, als sich plötzlich unser Bordcomputer meldete: Hill Holder und ESC nicht verfügbar. Also nochmal zurück. Mit dem Diagnosegerät hat der Mechaniker den Fehler gelöscht, doch er trat weiter auf. Da müssten wir schon einen neuen Sensor kaufen. Und wieder gings von D nach E nach F, immer durch das Industriegebiet. Endlich an der richtigen Adresse angekommen, war uns der Sensor mit 600€ allerdings ein bisschen zu teuer.
Danach wollten wir mal den echten Weihnachtsmann besuchen. Das Dorf war allerdings brutal touristisch und hatte auch nicht die von uns erwartete Atmosphäre. Lady Gaga lief im Radio und der Shop hatte den bekannten Nippes. Wir machten auf dem Absatz kehrt und fuhren lieber into the middle of nowhere.
Wir machten eine Wanderung im Salla Reindeer Park. Leider wurden die Tiere im unschönsten Teil des Parkes gefüttert und hielten sich auf Grund dessen natürlich da auf. Es gab wieder Feuerstellen, Toiletten, eine Saunahütte und einen Schaukelstuhl auf einem Steg mit Blick auf die malerische Umgebung.
Nachmittags machten wir die “kleine Bärenrunde”. Der Parkplatz war ziemlich voll, denn das Wetter schön und die Wanderung wohl auch ziemlich bekannt. Die Runde hatte 12 Kilometer und verlief durch ein Waldgebiet am Rande eines Flusses. Das Besondere an diesem Weg waren die drei Hängebrücken, die sich über den Fluss spannten. Der Wanderweg war gut ausgebaut, mit Stegen über moorige Stellen und Treppen, die auf Felsen hinauf und hinunter führten.
Da die Nacht klar war, wollte ich versuchen, die Polarlichter nochmal zu fotografieren. Es ist gar nicht so einfach, richtig scharfe Bilder zu machen, habe ich beim ersten Mal gemerkt. Es war ein bisschen Trial and Error und danach den Fokusring nicht mehr berühren! Das zweite Bild zeigt die Umgebung am nächsten Morgen.
Am nächsten Tag fuhren wir einige Kilometer in den Süden. Immer dichter besiedelte Gebiete flogen vorbei. Wir hielten an einem verrückten Skulpturenpark des Künstlers Veijo Rönkkönen in Parikkala. Der Künstler hat hier einen Garten angelegt und etwa 560 Skulpturen geschaffen und aufgestellt. Ein großer Teil waren Figuren, die in Yoga-Posen der im Osten aufgehenden Sonne zugewandt waren. Es gab eine große athletische, turnende Kinderschar und einzelne Figuren. Teilweise hat er Steine eingesetzt, um Frisuren darzustellen. Alle menschlichen Figuren hatten Augen und häufig sogar Zähne. Teilweise zeigten Fotografien den Künstler in seinem Garten.
So langsam erreichten wir die Südküste Finnlands. Die Straßen wurden jetzt zu richtigen Autobahnen. Hier stellten wir auch fest, dass unser Lenkrad schief steht, wenn wir geradeaus fuhren. Und das nicht zu knapp. Zudem hatte ein Auto, das vor uns einscherte, ein Steinchen gegen unsere Windschutzscheibe geschleudert, was einen Steinschlag verursachte. Das drückte die Stimmung schon ein bisschen. Nichtsdestotrotz wollten wir die restliche Reisezeit nutzen und steuerten unser nächstes, ein bisschen gruseliges Ziel an.
Die Salpa-Linie ist eine 1200 Kilometer lange Verteidigungslinie, die sich fast vollständig von Süd- nach Nordfinnland zieht. Sie verläuft an der Ostgrenze Finnlands zu Russland und wurde 1940 begonnen. Als die sowjetische Armee 1939 in die Offensive ging, wurden drei Verteidigungslinien errichtet, von denen die Salpa-Linie am westlichsten liegt. Sie umfasste mehr als 700 unterschieliche Betonbauten, etliche hunderte Kilometer Panzersperren und -gräben, Verschanzungen und Schutzräume und Unterstände. Die Salpa-Linie wurde letztendlich nicht benötigt, da der Vormarsch der Roten Armee 1944 bereits davor gestoppt wurde.
Wir hatten gelesen, dass man Bunker besichtigen kann, aber keine genaue Ortsangabe. Die, die wir fanden führte uns zu einem Parkplatz. Wir liefen ein wenig auf einem Hügel herum, bis wir den ersten Bunker fanden. Wir mussten dafür in einen Graben klettern und einen rutschigen, umgestürzten Baum überwinden. Dann gingen wir in den Berg hinein. Klamme Kälte schlug uns entgegen und ein beklemmendes Gefühl. Ich möchte gar nicht wissen, wie sich die Soldaten in solchen Situationen fühlen. An der Schießscharte, die Waffe im Anschlag, in den dunklen Steinhöhlen, auf jedes Geräusch hörend. Wartend, auf das, was noch kommen mag. Wir fanden noch weitere Bunker und an einer anderen Stelle eine Raketenabschussbasis.
Unser Nachtlager schlugen wir am Ostseeufer auf, konnten jedoch leider überhaupt nicht aufs Meer schauen, da sich ein dichter Nebel gebildet hatte. Eigentlich hatten wir den Platz ausgesucht, da es dort eine Feuerstelle gab, aber leider kein Holz dazu. Zwei Angler aus Litauen hatten ein Feuer entfacht, um dort ihre Linsen drin zu kochen, allerdings war die Glut nicht heiß genug, um zu grillen. Einer der beiden hatte uns stolz ein Foto von sich und einem riesigen Fisch gezeigt.
Als wir in Helsinki ankamen, nieselte es. Wir liefen ein wenig durch die Stadt, beschlossen dann aber, weiter zu fahren. Für den kommenden Tag hatten wir uns vorgenommen, einen weiteren Euromaster aufzusuchen, um die Reparatur zu beanstanden. Außerdem war Wind angesagt! Die Odyssee begann. Wir fuhren zum ersten Euromaster. Das Unternehmen machte dort aber gerade erst einen Standort auf und hatten noch keine Maschinen. Der zweite, dritte und vierte hatte keinen Termin in naher Zukunft. Erst der fünfte hatte einen Termin 2,5 Stunden später. Da ein Kunde nicht auftauchte, kamen wir früher dran. Die Nachbesserung des Euromaster-Desasters kostete uns nichts und wir konnten um etwa 13 Uhr den Kitespot erreichen. Das Lenkrad steht jetzt zwar noch nicht hundertprozentig gerade, aber wenigstens ist die Fehlermeldung des ESCs weg :)
Am Kitestrand war ordentlich was los. Wir hatten eine coole Session und kreuzten ein wenig hoch, um uns die Gegend dort auch anzuschauen. Als ich aus dem Wasser kam, redete Jonas gerade mit einem anderen Kiter. Der wollte in die Stadt fahren, um was zu futtern und dann noch eine Sonnenuntergangsrunde machen. Dem schlossen wir uns an. Ein sehr interessanter Mensch, der einiges zu berichten hatte, vor allem, weil er selbst 12 Jahre als Kitelehrer gearbeitet hatte. Wir genossen die zweite Runde auf dem Wasser, während sich der Himmel immer röter färbte. Danach gings für uns zurück nach Helsinki - denn was wäre ein Finnland-Besuch ohne Sauna?
Erst um halb 11 nachts erreichten wir die Hauptstadt. Wir hatten von einer Guerilla-Sauna gelesen, die erstens gemischt war, zweitens 24/7 geöffnet hatte und drittens kostenlos sein sollte. Die Gegend war irgendwie runtergekommen. Uns war es ein bisschen unangenehm, das Ungefährt zu parken, um zu Fuß die Sauna zu erkunden. Die Straße hatte keine Beleuchtung, war nicht geteert und hatte viele Schlaglöcher. Es gab noch keinen Hinweis auf eine Sauna. Im Dunkel machten wir eine Art Eingang aus, zwei große, hölzerne Giraffen grinsten uns entgegen. Einige spärlich beleuchtete, kleine Gebäude waren zu sehen - und Funken stoben aus den Kaminen.
Es gab drei unterschiedliche Saunen und einen Steg mit Treppe in die Ostsee. Man konnte sich aussuchen, ob man mit oder ohne Textil in die Sauna geht. Wir kamen auch mit einigen Leuten ins Gespräch, die teilweise in der Community aktiv waren, die die Saunen gebaut hatte und sich nun drum kümmert. Dazu gehört auch, das um Mitternacht noch Holz gemacht wird :D. Außerdem gab es ein überdachtes Klavier. Die Stadt wollte die Saunen wohl erst nicht, aber die Beharrlichkeit der Gruppe hat sich ausgezahlt. Die Sompa-Sauna war mehrfacher Publikumsliebling beim Helsinki Cuture Act und 2015 Hauptgewinner. Dann hat die Stadt der Community endlich ein Stück Land gegeben und erst seit einigen Monaten sind die Saunen dort. Wir probierten alle drei aus, danach waren wir richtig platt. Am nächsten Morgen gings für uns früh aus den Federn und dann auf die Fähre nach Tallinn, Estand.